Montag, 25. Oktober 2010

Workshops beim Sozialismustag


Workshopphase 1: 14.00 – 16.00 Uhr
Kultur und Revolution
Kunst im Kapitalismus bedeutet: Nur eine kleine Anzahl Menschen, die angeblich „besonders begabt“ sind, dürfen Kunst machen. Eine noch viel kleinere Anzahl Menschen, die die Kulturindustrie besitzen, entscheiden welche Kunst in die Öffentlichkeit kommt. Bedingung dafür ist die Vermarktbarkeit, wer seine Kunst dem nicht anpasst läuft nicht bei MTV und hängt nicht in Galerien.
Wir wollen diskutieren: Gibt es trotzdem Möglichkeiten, eigene oder kritische Kunst zu machen? Kann Kunst eine Rolle in Linken Bewegungen spielen? Was für eine Macht hat die Kulturindustrie?
Transportiert Mainstreamkunst eine Ideologie? Wie ist Kunst überhaupt entstanden? Aber auch: Wie kann Kunst in einer befreiten Gesellschaft funktionieren?
Referent: Holger Burner (www.youtube.com/user/mchbhh)

Lesetipp: Kunst und Revolution

http://www.sozialismus.info/?sid=3211


Wie die Atomlobby und das Umweltdesaster stoppen?
Regelmäßig setzt der bürgerliche Staat all seine Macht ein, um Atommüll per Castor ins Wendland zu fahren. Die Energiekonzerne freuen sich durch den „Ausstieg aus dem Atomausstieg“ über Milliardengewinne. Gleichzeitig treiben sie mit Kohlekraftwerken wie in Moorburg den Klimawandel voran. Die Folgen sind häufigere Naturkatastrophen, 2010 etwa die Überschwemmungen in Pakistan oder die Hitzewelle mit riesigen Waldbränden in Russland.
Die meisten Menschen möchten auch in Zukunft in einem erträglichen Klima mit möglichst wenigen Naturkatastrophen leben und nicht durch undichte Uran- und CO2-Endlager vergiftet werden. Aber ist das im Rahmen des Kapitalismus möglich, oder brauchen wir dafür eine geplante Wirtschaft?

Lesetipps: Wie kann die Atompolitik gestoppt werden? http://www.sozialismus.info/?sid=3713

Weg mit Kohle und Kapital!

http://www.sozialismus.info/?sid=3710

 

Workshopphase 2: 16.15 – 18:00 Uhr

Frauen(in)Bewegung

Nach statistischen Erhebungen von Eurostat 2009 verdienen Frauen in Deutschland im Durchschnitt 25 % weniger als Männer. Dabei behaupten doch Einige die Emanzipation sei heute weitestgehend erreicht. Wie passt das zusammen? Die Realität für viele Frauen sieht weiterhin anders aus: Sexualgewalt, Unterdrückung in Beruf und Familie und Schönheitswahn.
Wir wollen in diesem Workshop einen historischen Ausflug zu der Situation von Frauen in der französischen und der russischen Revolution machen, und zu der Frage kommen, wie wir uns heute als Frauen von jahrtausendelange Unterdrückung und erzwungener Abhängigkeit befreien können.

Lesetipps: Marxismus und Feminismus http://www.sozialismus.info/?sid=3580

Gegen Prekarisierung, Entlassungen und Sexismus


Hetze gegen Muslime - Gefahr einer neuen Rechtspartei?
Von Sarazzin über Merkel bis Seehofer - PolitikerInnen üben sich gerade wieder einmal in beispielloser Hetze gegen MigrantInnen. Und BILD, Spiegel und MOPO geben ihnen den nötigen Raum dafür. Wie groß ist die Gefahr einer neuen Rechtspopulistischen Partei in Deutschland? Wovon soll damit abgelenkt werden? Was machen diese Parteien in anderen Ländern, wo es sie schon gibt für Politik? Und: was können wir tun, um uns dieser Entwicklung entgegenzustellen?

Lesetipps:

Gibt es ein Integrationsproblem?

Was steckt hinter der Sarrazin-Debatte?

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Sozialismustag am 20.11.

Am 20.11. findet im Magda-Thürey-Zentrum der Sozialismustag der SAV Hamburg statt.
In Workshops und einer Abendveranstaltung wollen wir über Feminismus, Hiphop, Umweltschutz und Sozialismus, die erstarkende neue Rechte, die Bewegung gegen Stuttgart 21 und viele andere Themen diskutieren.
Ein Genosse von der Jugendoffensive gegen Stuttgart 21 wird über die Situation in Stuttgart berichten.
Das vollständige Programm mit allen Workshops wird demnächst hier veröffentlicht.

„Die Leute raus – Mieten hoch – bumm – ganz normal, Kapitalismus oder wie sagt man“

Zur "Leerstand zu Wohnraum"-Demo am Samstag (13:00, Unicampus von-Melle-Park) hier ein Artikel aus der August-Ausgabe der Solidarität (Nr. 93)


Gentrification à la Hamburg-St. Pauli
Das Zitat über den Hamburger Stadtteil St. Pauli aus dem Film „Empire St. Pauli“ könnte es treffender nicht ausdrücken. Seit Jahren werden – nicht nur – in Hamburg ehemalige Arbeiter- und Armutsbezirke, zumeist in innerstädtischer Lage, schick und teuer gemacht, im Fachjargon „gentrifiziert“.

von Linda Fischer, Hamburg

Vor 20 Jahren galt St. Pauli als „Armutsstadtteil“, dies hat sich rasant gewandelt. Die Mieten kletterten in den letzen 15 Jahren von 7,70 Euro auf über elf Euro. Die logische Folge ist, dass die ärmeren Bevölkerungsschichten verdrängt werden. MigrantInnen sind meist die ersten, die „gehen müssen“. Der Anteil der BewohnerInnen ohne deutschen Pass ist zum Beispiel von über 40 Prozent Mitte der neunziger Jahre auf 27,1 Prozent gesunken. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die SAGA, das städtische Wohnungsunternehmen in Hamburg, bei ihrer Bewerberauswahl auf den Nachnamen schaut (Yilmaz = aussortiert).

Wohnen – mehr als nur ein Dach über den Kopf?

Durch das gestiegene Image des Stadtteils werden Unternehmen angezogen und exklusive Büro- und Wohnhäuser neu gebaut. Kleine, günstige Geschäfte werden durch teure Lokale ersetzt, Freiräume kommerzialisiert. Für die (ehemaligen) Bewohner hat dies dramatische Folgen: Eine Frau lebte seit vielen Jahren in St. Pauli, erzählte von einem großen Zusammenhalt unter den Nachbarn. Als sie arbeitslos wurde, ihre Kinder auszogen, war die Wohnung für Hartz IV zu groß. Eine kleinere, bezahlbare Wohnung in St. Pauli gab es nicht mehr. Nun wohnt sie, wie viele, in einem anderen, anonymen Stadtteil.
Noch ein Beispiel: Es gab eine Kneipe, die war (wie einige weitere Gaststätten) für viele Gäste gesellschaftlicher Treffpunkt, manchmal Sozialstation. Die Wirtin half beim Ausfüllen der Amtsanträge. Das Haus wurde abgerissen, die Kneipe ist nun weg, und damit „das Wohnzimmer“ vieler Gäste.
Gleichzeitig sind viele Großwohnsiedlungen in verschiedenen Gebieten von Hamburg heute durch leer stehende Geschäfte geprägt, soziale und kulturelle Einrichtungen, Schulen machen dicht, da ihnen die Gelder gekürzt werden. Das ist paradox: St. Pauli wird dir genommen, da du dir den Stadtteil nicht mehr leisten kannst, und in vielen anderen Stadtteilen entsteht „Wohnqualität“ erst gar nicht.

Ursachen

Es heißt, Gentrifizierung beginnt mit den „Pionieren“ (Künstler, Alternative), die in ein Gebiet ziehen, da es günstig und zentral ist. Der Stadtteil wird dadurch für andere Gruppen interessant. Doch das Problem sind nicht die „Pioniere“, sondern der Kapitalismus: Das essenzielle Bedürfnis „Wohnen“ wird zur Ware. Über die Höhe der Miete entscheidet nicht das Konto des Mieters, und über Investitionen entscheidet die „Wirtschaftlichkeit“.
Oft wird erst die Infrastruktur über Jahrzehnte vernachlässigt, um dann durch neue Investitionen steigende Grundstückswerte und Mieten zu erzielen. Die SAGA hat zum Beispiel in Wohnhäuser so lange nicht investiert, bis diese baufällig und abgerissen wurden, um sie durch teurere zu ersetzen.
Die Politiker sind dabei treibende Kraft: „Die Künstler kommen zuerst, dann wird der Stadtteil aufgewertet. Gentrifiziert“, so der Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, Markus Schreiber (SPD) über seine Arbeit.

Widerstand

Es regt sich in vielen Städten Widerstand, leider meist personell, thematisch und räumlich auf die „Szenegebiete“ begrenzt. Es wird oft nicht geschafft, eine allgemeine Bewegung für bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum voranzutreiben. In Hamburg gibt es auch breitere Ansätze, wie eine Mieterinitiative von SAGA-MieterInnen, die sich gegen Mieterhöhungen wehren. Wenn beispielsweise kollektiv beschlossen würde, einen Mietboykott zu organisieren, könnte großer Druck auf die Wohnungsunternehmen ausgeübt werden. Wenn sich diese Bewegung dann mit Protesten gegen andere Kürzungen zusammentun würde, ließe sich umso mehr Durchschlagskraft erreichen.
Gefordert werden sollte: Alle Wohnungen in öffentliches Eigentum, kontrolliert und verwaltet durch die MieterInnen! Keine Miete höher als 20 Prozent des Einkommens! Für ein öffentliches Investitionsprogramm in den Stadtteilen zum Ausbau der kulturellen, sozialen, infrastrukturellen Einrichtungen!

 

Dienstag, 5. Oktober 2010

100.000 gegen den Wahnsinn

Dieser Artikel ist zuerst auf der bundesweiten Website der SAV, sozialismus.info, erschienen. Am 13.10. um 19:00 werden GenossInnen, die sich zur Unterstützung der Proteste derzeit in Stuttgart aufhalten, in der Stresemannstraße 150 von ihren Erfahrungen berichten. 

Stuttgart erlebt größte Demonstration gegen “Stuttgart 21"
Der Stuttgarter Schlossgarten war vom einen bis zum anderen Ende mit einer unüberschaubaren Menschenmenge gefüllt. Der brutale Polizeieinsatz vom Donnerstag und der Beginn der Baumfällarbeiten im Park sind für die Stuttgarterinnen und Stuttgarter offensichtlich nur ein Grund mehr massenhaft auf die Straße zu gehen.

von Sascha Stanicic, z.Zt. Stuttgart

Unendliche Wut entlädt sich immer wieder in Sprechchören: “Lügenpack! Lügenpack!” Und: “Mappus weg!”, dazwischen tosender Applaus, wenn die streikenden Schülerinnen und Schüler erwähnt werden. Und Entsetzen und Schweigen, als berichtet wird, dass eine ältere Frau am Donnerstag nachdem sie von einem Polizisten zu Boden geworfen wurde, auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben sein soll. Dann wieder unendlicher Lärm und Begeisterungsrufe als von dem einen mutigen Polizisten berichtet wird, der während des Schlagstockeinsatzes gegen Schülerinnen und Schüler am Donnerstag seinen Helm hingeworfen hat und die Polizeireihen mit den Worten: “Das mache ich nicht länger mit, auf Kinder zu schlagen” verlassen hat.
Die Kundgebung beginnt mit einer Schweigeminute, die von dem bisher sicher lautesten “Schwabenstreich” - eine Minute Lärm gegen S21 - abgelöst wird. Einer der ersten Redner ist Florian Toniutti von der “Jugendoffensive gegen Stuttgart 21", die den Schülerstreik organisiert hatte. Immer wieder wird der er von Applaus unterbrochen, als er die Lügen der Landesregierung und von Teilen der Medien über angeblich gewalttätige Schülerinnen und Schüler zurück weist. Er erklärt: “Wir haben uns die Entscheidung zum Streik nicht leicht gemacht. Aber außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Wir wollten ein Zeichen setzen, weil Demonstrationen alleine gegen Stuttgart 21 nicht ausreichen.” Ganz Stuttgart ist stolz auf diese SchülerInnen und Jugendlichen, die das Vorrücken der Polizei am Donnerstag vormittag so lange verzögerten bis viele tausend weitere DemonstrantInnen aller Altersklassen den Weg in den Park gefunden hatten. “Geld für Bildung und Soziales, statt für Prestigeprojekte und die Profite der Baufirmen und Immobilienlobby”, ruft Florian Toniutti zum Abschluss seiner Rede aus.
Der anschließende Marsch legt die ganze Innenstadt lahm, die offensichtlich weiträumig von der Polizei abgesperrt wurde. So weitläufig, dass außer vor dem Landtagsgebäude keine Polizisten zu sehen sind, nicht einmal zur Verkehrsumleitung. Entsprechend gewaltfrei und friedlich verläuft die Demonstration. Selbst ein verlassener Polizeiwagen wird nur mit ein paar Aufklebern verschönert und sonst nicht einmal angerührt.
Die Jugendoffensive war auf der Demo mit einem lautstarken Block mit eigenem Lautsprecherwagen vertreten. Der in linken Kreisen bekannte Rapper Holger Burner trat auf dem Dach des Wagens auf und sang anlässlich der Ereignisse des Vortags: “Wir haben keinen Respekt vor Eurer Uniform!”. Damit traf er den Nagel auf den Kopf. PolizistInnen der so genannten “Anti-Konflikt-Teams”, die am Donnerstag nirgends zu sehen waren, trauten sich zu Beginn der Kundgebung unter die Menschen und wurden permanent von wütenden BürgerInnen umlagert. Focus online berichtet, wie sie von Demonstranten aufgefordert wurden, ihre Deeskalationsmaßnahmen beim SEK einzusetzen und nicht unter den friedlichen Protestierern. Als ob weitere Auseinandersetzungen provoziert werden sollten, arbeiteten die Bagger in dem Teil des Parks, in dem die ersten Bäume gefällt worden waren bis zum Sonnenuntergang weiter.
SAV-Mitglieder aus dem ganzen Bundesgebiet waren zu dieser Demonstration angereist, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen und die Bewegung gegen das Milliardengrab Stuttgart 21 zu unterstützen. Dazu war ein für dieses Wochenende seit langem geplantes Jugendseminar abgesagt und die TeilnehmerInnen zur Fahrt nach Stuttgart aufgefordert worden. SAV-Mitglieder und -Unterstützer aus Hamburg, Berlin, Bremen, Köln, Aachen, Essen, Dortmund, Kassel, München, Bamberg und eine Genossin der Socialist Party aus London waren nach Stuttgart gekommen. In vielen Städten nahmen SAV-Gruppen an örtlichen Solidaritätsaktionen mit den Protesten in Stuttgart teil.
Der gestrige Tag war ein klares Signal an Merkel und Mappus: der Widerstand gegen Stuttgart 21 wurde durch den Knüppeleinsatz der Polizeihundertschaften am Donnerstag nicht gebrochen, nicht einmal geschwächt - im Gegenteil: die Zahl der S21-GegnerInnen wächst weiter und die Entschlossenheit weiter zu kämpfen ist ungebrochen.