Rechtspopulistische Szene in der BRD
Es gibt zwar in Deutschland keine große rechtspopulistische Partei, aber verschiedene Gruppen und Kleinparteien, die „rechtspopulistische Szene“, die versuchen, eine aufzubauen. Sie alle bezeichnen sich als „rechtsdemokratisch“ oder ähnliches und grenzen sich strikt von der NPD ab, da sie verstehen dass die Erfahrung mit dem Faschismus in Deutschland die Möglichkeiten für offen faschistische Kräfte stark begrenzt. Das heißt nicht, dass Rechtspopulismus und Faschismus klar voneinander getrennte Phänomene wären – gerade in Deutschland gibt es durchaus Überschneidungen und Mischformen.
Der Klassiker des deutschen Rechtspopulismus sind die Republikaner (REPs). Sie haben sich in den 80ern von der Union abgespalten, waren vor allem in Süddeutschland stark, saßen im Landtag von Baden-Württemberg und dem Europaparlament. Sie befinden sich aber seit Ende der 90er im Niedergang, auch weil ihre größtenteils alten Mitglieder allmählich wegsterben.
Aktuell erfährt die „pro-Bewegung“ mehr Aufmerksamkeit. Diese Partei hat sich in den 90er Jahren in Köln aus einer Abspaltung von den REPs entwickelt, bevor sie sich in „pro Köln“ umbenannte hieß sie Deutsche Liga für Volk und Heimat, die Führungsmitglieder sind bis heute die selben. Sie zogen in Köln in den Stadtrat ein und haben sich dort mittlerweile bei ca. 5% etabliert. Seit 2007 versucht pro Köln bundesweit zu expandieren. Mit ihrem landesweiten Ableger „pro NRW“ konnten die Rechtspopulisten bei den Kommunalwahlen 2009 in 6 Stadträte einziehen, blieben bei der Landtagswahl in diesem Jahr aber mit 1,4% bedeutungslos – allerdings haben sie jetzt Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung.
Aktuell konzentrieren sie sich auf Berlin, ein Landesverband von „pro Deutschland“ wurde gegründet und will 2011 zur Abgeordnetenhauswahl antreten. Bundesweit gibt es Verhandlungen über ein Wahlbündnis mit den Republikanern, die Pro bisher abgelehnt haben, jetzt aber wohl versuchen durch eine Zusammenarbeit das eigene Verschwinden hinauszuzögern. Diverse Kommunalabgeordnete der REPs sind schon zu Pro übergelaufen, die Parteiführung sah sich nicht mehr in der Lage den Abgrenzungskurs fortzusetzen.
Die große Besonderheit der Pros innerhalb des Rechtspopulismus ist der Versuch, regelmäßig auf der Straße mit Demos und vor allem Kundgebungen Präsenz zu zeigen. Typischerweise sind RechtspopulistInnen, wie zuletzt Schill und Kusch in Hamburg, ausschließlich auf Wahlen und Parlamente orientiert und außerhalb von Wahlkämpfen kaum wahrnehmbar. Die „pro-Bewegung“ dagegen will sich vor allem mit Anti-Moslem-Kundgebungen vor Moscheen oder dort, wo Moscheen geplant sind, profilieren. In einigen Fällen ist ihnen dabei gelungen lokale Initiativen aus dem rassistischen Stammtischmilieu in ihre Struktur zu integrieren. Durch diese Methodik und das (allerdings von Wunschdenken geprägte, real wohl bundesweit nur wenige 100 Mitglieder) Selbstverständnis als „Bewegung“, im Gegensatz zur Wahlpartei mit wenigen aktiven „Politprofis“ und Mitgliedern, deren Rolle sich aufs Beitrag zahlen beschränkt, liegt Pro an der Grenze zwischen Rechtspopulismus und Faschismus.
Zusätzlich gibt es weitere rechtspopulistische Anti-Islam-Gruppen, die bekannteste ist „PI“ (Politically Incorrect), ursprünglich ein Blog (PI-News) des fundamentalistischen Katholiken und Möchtegern-Kreuzritters Stefan Herre. PI-News behauptet von sich, der meistgelesene politische Blog in Deutschland zu sein. Ob das stimmt ist nicht nachprüfbar, allerdings hat PI definitiv eine große Ausstrahlung in die rechtspopulistische Szene. Das Verhältnis zwischen Stefan Herre bzw. PI und anderen Organisationen ist wechselhaft. Jahrelang wurde pro unterstützt, nachdem die „Bewegung“ aber in Verfassungsschutzberichten auftauchte und sich die Gründung einer neuen Partei abzeichnete ging PI auf Distanz zu den Pros und weigerte sich, weiter Hofberichterstattung zu machen. Momentan wird die neugegründete Partei „Die Freiheit“ gepusht, aber wenn Wahlerfolge ausbleiben wird sich PI vermutlich schnell wieder umorientieren.
Es gibt mittlerweile „PI-Gruppen“, laut der Homepage in 49 Städten. Die meisten dieser Gruppen existieren wahrscheinlich gar nicht oder bestehen aus einer Einzelperson, einige sind aber durchaus aktiv. Dazu gehört auch die Hamburger Gruppe mit wohl ca. einem Dutzend Mitglieder, von denen die meisten wohl gleichzeitig zur „Bürgerbewegung Pax Europa“ gehören. Das ist ein rechter, islamophober Verein, der sich inhaltlich ebenso wie PI und im Gegensatz zu den Parteien ausschließlich auf Hetze gegen Muslime beschränkt. Pax Europa ist selbst eher klein und vor allem in Südwestdeutschland und Berlin aktiv, organisiert Saalveranstaltungen sowie gelegentlich „Mahnwachen“ (wie am 11.9. in der Mönckebergstraße) und versucht sich europa- oder sogar weltweit mit den AnhängerInnen von Geert Wilders zu vernetzen.
Aus dem Berliner Landesverband von Pax Europa ist vor kurzem eine weitere Partei entstanden: „Die Freiheit“ um den ausgeschlossenen CDU-Abgeordneten Rene Stadtkewitz. Auch sie will in Berlin zur Abgeordnetenhauswahl antreten, das Programm ist stark völkisch geprägt und enthält neben dem Verbot jeder Einwanderung die Forderung nach Zwangsarbeit für alle Arbeitslosen. Entsprechend wurde sich bei der Gründung stark auf Sarrazin bezogen und die Hoffnung geäußert, er werde sich anschließen – wird er aber wohl nicht, denn die Freiheit hat kaum Chancen auf ein herausragendes Wahlergebnis, die Unterstützung der bürgerlichen Medien fehlt. Zu Beginn haben einige Zeitungen noch recht positiv berichtet, mittlerweile hat man sich dort aber offenbar entschlossen weiter auf die CDU zu setzen und die Neugründung zu ignorieren.
Verschiedene Gruppen versuchen, internationale Kontakte aufzubauen und hoffen auf Unterstützung von erfolgreicheren rechtspopulistischen Parteien in Europa.
So unterhält „Pro“ schon seit langem Kontakte zum Vlaams Belang aus Belgien, der gelegentlich mit Bussen auf Pro-Demos in NRW auftaucht und Redner zu Veranstaltungen der „Bewegung“ schickt. Zusätzlich wurden in den letzten Monaten Kontakte zur FPÖ aufgebaut, die offiziell erklärt hat Pro zu unterstützen.
„Die Freiheit“ lehnt sich stark an Geert Wilders und seine PVV aus den Niederlanden an, so war die erste Veranstaltung der neuen Partei ein Wilders-Vortrag und schon die Verwendung des Begriffs „Freiheit“ als Parteinamen verweist auf die PVV („Partei für die Freiheit“) und Wilders neues Projekt, die „International Freedom Alliance“, eine Art rassistische Internationale.
Daneben gibt es diverse europaweite Zusammenschlüsse rechtspopulistischer Organisationen, PI und Pax Europa sind jeweils an mehreren davon beteiligt.
RechspopulistInnen an der Macht
In verschiedenen europäischen Ländern sind rechtspopulistische Parteien an Regierungen beteiligt. Die SVP ist in der Schweiz stärkste Partei und bedingt durch die dort praktizierte Sonderform der bürgerlichen Demokratie automatisch Teil der Regierung. In Italien regiert die konservative Partei von Berlusconi mit Unterstützung des kleinen Koalitionspartners Lega Nord, einer rassistischen und separatistischen norditalienischen Partei. In Dänemark toleriert die rechtspopulistische Dänische Volkspartei eine konservativ-liberale Regierung, in den Niederlanden gibt es neuerdings eine ähnliche Konstellation. In Ungarn ist seit diesem Jahr die reaktionäre Fidesz mit Zweidrittelmehrheit an der Macht, die rechtspopulistische Elemente entwickelt hat und anscheinend in Erwägung zieht die bürgerliche Demokratie abzuschaffen. Unterstützt wird sie dabei von der drittstärksten Partei im Land, der an den historischen deutschen Faschismus angelehnten Jobbik. Sie alle verfolgen eine rassistische Politik und führen Kürzungsmaßnahmen auf Kosten aller Lohnabhängigen mit durch.
So hat die Lega Nord im letzten Jahr unter dem Titel „Weiße Weihnachten“ im Dezember Rasterfahndungen in von ihr regierten Gemeinden veranstaltet, um Illegalisierte zu finden und abzuschieben. Gleichzeitig hat sie mit der italienischen Regierung Gehaltsküzungen im öffentlichen Dienst und die Erhöhrung des Renteneintrittsalters um drei Jahre beschlossen.
Im Koalitionsvertrag der von Geert Wilders und seiner PVV abhängigen niederländischen Regierung ist die Begrenzung der „nichtwestlichen Einwanderung“ um die Hälfte vorgesehen. Obwohl Wilders vor der Wahl offenbar erfolgreich versucht hat sich ein soziales Image zu geben hat seine Partei im gleichen Vertrag Sozialabbau zugestimmt.
In Dänemark gibt es nach 9 Jahren Regierungsbeteiligung der Volkspartei die härtesten Ausländergesetze der ganzen EU. Vor kurzem sind sie weiter verschärft worden. Wer nach Dänemark einwandern will muss eine bestimmte Punktzahl in einem Punktesystem erreichen und genug Geld mitbringen um „sich für ein Jahr selbst zu versorgen“, Sozialleistungen gibt es für MigrantInnen überhaupt nicht mehr, wer arbeitslos wird wird abgeschoben.
Die Schweizerische Volkspartei hat sich auf Volksentscheide spezialisiert, mit massiver rassistischer Hetze, die von deutschen Rechtspopulisten ebenso als Vorbild verwendet wurde wie von der NPD, konnte sie das Minarettverbot durchsetzen, und am nächsten Wochenende wird die „Ausschaffungsinitiative“ den Umfragen zu Folge wohl angenommen (55%), mit der wie der Name schon sagt Abschiebungen beschleunigt, erleichtert und vermehrt werden sollen. Ein weiterer Beleg dafür dass die Forderung nach Volksentscheiden, die ja auch auf der Linken häufig erhoben wird, nicht unbedingt fortschrittlichen Charakter hat und genau hinterfragt werden sollte.
Die ungarische Fidesz konnte bei den Wahlen im Mai eine Zweidrittelmehrheit im Parlament gewinnen. Das war möglich, weil die Alternativen in den neoliberalen sogenannten „Sozialisten“, einer sozialliberalen Partei nach Vorbild der Grünen und den Neonazis von „Jobbik“ (komplett mit „Ungarischer Garde“ als SA-Kopie) bestanden. Jetzt ist sie dabei, den Staatsapparat auf allen Ebenen unter ihre Kontrolle zu bringen und mit Parteimitgliedern zu besetzen. Mit ihrer Parlamentsmehrheit ändert sie nach Belieben die Verfassung, alle großen Medien sind unter Kontrolle der Rechtspartei. Angeblich überlegt sie, die Monarchie wieder einzuführen. Wie es sich für Reaktionäre gehört betreibt auch sie mit einem Rekord-Sparpaket Umverteilung zu Gunsten des Kapitals, hat z.B. die Progression bei der Einkommenssteuer abgeschafft.
Die Jobbik-Nazis verhalten sich bei dem Ganzen wohlwollend neutral, sie hoffen wohl, dass dabei etwas für sie abfällt und z.B. ihre harte antiziganistische Haltung, die sich bereits in Pogromen äußert, in Gesetzesform gegossen wird. Das Regime betreibt eine revanchistische, expansionistische Politik indem es allen Menschen ungarischer Abstammung in den angrenzenden Ländern die ungarische Staatsbürgerschaft verliehen hat – Ziel ist letztlich die Rückeroberung der Grenzen von vor dem Ersten Weltkrieg, wie weit die ungarischen Rechten dafür zu gehen bereit sind ist unklar – klar ist aber, dass sie eine Gefahr darstellen.
Kann das auch in Deutschland passieren?
Seit drei Monaten läuft die Integrationsdebatte, in der rassistische Thesen breit öffentlich diskutiert werden. Zunächst berichtete die bürgerliche Presse permanent über Thilo Sarrazin, später gab es eine Verlagerung hin zu Horst Seehofer und andere etablierte Politiker vor allem aus den Reihen der Union. CDU und CSU verfolgen einen Rechtskurs, erklären „Multikulti“ sei gescheitert und Deutschland sei kein Einwanderungsland und fordern harte Bestrafung für sogenannte „Integrationsverweigerer“.
Die Innenministerkonferenz (IMK) in Hamburg hat beschlossen, das Bleiberecht für jugendliche MigrantInnen an Schulnoten zu koppeln – wer Einsen schreibt, ist „integriert“ und darf bleiben, die restliche Familie wird trotzdem abgeschoben. Abschiebungen sollen noch weiter vereinfacht und beschleunigt werden.
Pünktlich zur IMK wurde wieder eine allgemeine Terrorhysterie angefacht, Polizisten mit Maschinenpistolen tummeln sich auf Bahnhöfen und jedes vergessene Gepäckstück bis hin zur Plastiktüte wird gesprengt – es könnte sich ja um eine von islamistischen Terroristen hinterlassene Bombe handeln. Der perfekte Hintergrund für Pro Deutschland, wieder einmal den „Weltkrieg“ gegen „den Islam“ zu erklären.
Momentan scheint den Herrschenden die Union noch zu genügen, der Bedarf nach einer rechtspopulistischen Protestpartei wird in Deutschland noch nicht gesehen. Es erscheint jedoch angesichts der schlechten Umfragewerte der schwarz-gelben Regierung jederzeit möglich, dass Teile des Kapitals sich von der Union abwenden und rechtspopulisten mediale Unterstützung liefern – wie gut das funktionieren kann haben wir in Hamburg 2001 mit der Schill-Partei gesehen.
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