Dienstag, 19. Juni 2012

Burschenschaften – ein Sammelbecken für reaktionäre Ideen

Erwachsene Männer ziehen sich Fantasieuniformen an, grüßen sich mit ihrer Fantasiesprache (Hochachtungsschluck!) und zerschneiden sich das Gesicht, um herauszufinden wer schneidiger ist. Als Höhepunkt des Abends dürfen die Älteren den Jüngeren befehlen, möglichst viel Bier zu trinken, aber dann nicht auf Toilette gehen zu dürfen und ähnliche S/M-Spielchen für Anfänger. Was normalerweise meist als individuelle Reflexion kranker gesellschaftlicher Zustände ein Nischendasein fristet, verbindet sich im Burschenschaftswesen mit konservativen bis rechtsradikalen politischen Ansichten.

Am 16.2.2012 fand in den Räumen der Burschenschaft Germania Königsberg ein Fortbildungsseminar des Dachverbands „Deutschen Burschenschaft (DB)“statt. Referieren sollten Burschenschaftler aus einer wegen Verstrickung mit Rechtsterrorismus zeitweise aufgelösten österreichischen Burschenschaft, ein CDU-Mitglied zum Thema „volkstumbezogener Vaterlandbegriff“, ein Bursche der neofaschistischen Germania-Burschenschaft und ein gewisser Norbert Weidner.

Die „Deutsche Burschenschaft“ DB spaltete sich Anfang Juni in Eisenach über die gescheiterte Abwahl des Chefredakteurs der Verbandszeitschrift und Vorstandsmitglieds, des schon genannten Norbert Weidner. Weidner, ehemals Nazikader der verbotenen FAP, bezeichnete 2011 in der Mitgliedszeitschrift seiner Burschenschaft den von den Nazis ermordeten Dietrich Bonhoeffer als „Landesverräter“, dessen Hinrichtung „rein juristisch gerechtfertigt“ gewesen sei und durch dessen „Verrat“ „tausende Deutsche an der Front hingemetzelt“ worden seien. (http://tinyurl.com/bplrbey ). Eine Mehrheit der Burschenschaftler in Eisenach hielt das nicht für einen ausreichenden Grund, die Abwahl Weidners zu unterstützen.

Im Selbstverständnis der DB ist das deutsche Volk durch eine Schicksalsgemeinschaft verbunden. Unabhängig von staatlichen Grenzen soll sich für die freie Entfaltung des deutschen Volkstums eingesetzt werden und das "Recht jedes Volksteils auf seine angestammte Heimat" durchgesetzt werden. Dahinter stecken Rassismus und Revanchismus, der Anspruch auf ehemalige Reichsgebiete, die heute zum Beispiel zu Polen gehören. Soviel Deutschtümelei führte 2011 auf dem Burschenschaftertag zu dem Versuch einer völkischen Burschenschaft, einen asiatisch-stämmigen Burschen einer anderen Burschenschaft mittels „Arierparagraph“ auszuschließen.

Die Burschenschaftler selbst sehen sich als gesellschaftliche Elite, oder etwas ungeschickt-naturalistisch ausgedrückt „als Weizen, nicht als Spreu“ (Website der Chattia Friedberg). Das Lernen von Befehl und Gehorsam (Fux und Fuxmajor), ritualisierter Alkoholmissbrauch (Kneipe und Kommers), Scheinkämpfe (Mensur) und das Anhören von rechtskonservativen bis rechtsradikalen Referenten, die sonst eher zu NPD-Veranstaltungen tingeln, soll zum Führen befähigen. Entscheidender sind da eher die Seilschaften zu den „alten Herren“, ein Karrierenetzwerk das den Burschis den gesellschaftlichen Aufstieg erleichtern soll.

Frauen sind bewusst ausgeschlossen, sie sind als schmückendes Beiwerk zum Wichs (Burschenschaftlerausdrück für ihre die Kostüme) bei manchen Veranstaltungen erlaubt, aber niemals als gleichwertige Menschen, als ernstzunehmende Personen. Es gibt nur einige wenige Verbindungen außerhalb des DB, die auch Frauen aufnehmen. Aufgenommen im DB werden explizit auch keine Homosexuellen und Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft.

Das Seminar am 16.6. fand nicht ohne Gegenproteste statt. Der AStA der Uni Hamburg rief zu einer Protestkundgebung vor der Stadtvilla der Burschenschaft Germania Königsberg auf, der etwa 40 Leute folgten. In guten inhaltlichen Reden wurde deutlich gemacht, dass hier keine „harmlose“ Traditionspflege getrieben wird, sondern menschenfeindliche rechtskonservativen bis neofaschistische Ideologien geschult werden. Eine übergroße Kaiserreichsfahne mit den Symbolen der Burschenschaft an dem Verbindungshaus macht schon auf den ersten Blick deutlich, auf was für Traditionen sich dort berufen wird. Es bleibt dabei: Burschenschaften auflösen und Rassismus und Sexismus durch den gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus überwinden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen