Die Affäre Rainer Brüderle hat eine Sexismusdebatte in Deutschland ausgelöst. Das ist erst einmal gut. Vielen Menschen ist bewusst geworden, dass Erniedrigung von Frauen durch sexistische Sprüche aber auch sexuelle Belästigung und Gewalt tagtäglich stattfinden. Jede vierte Frau hat beispielsweise Erfahrungen mit häuslicher Gewalt. 60.000 Frauen haben ihre eigenen Erfahrungen unter #Aufschrei getwittert.
Die Talkshowdebatten zu Sexismus lieferten Machos wie Kachelmann-Anwalt Ralf Höcker, Wolfgang Kubicki und anderen ein Forum für ihren Schwachsinn.
Da gab es dann grandiose Vorschläge, wie das Frauen einfach lernen müssen, schlagfertig verbal zu reagieren und sich dann umzudrehen und zu gehen.
Großartiger Tip! Z.B. im Falle häuslicher Gewalt können sich viele Frauen aufgrund der ökonomischen Abhängigkeit von ihrem Mann nicht einfach umdrehen und aus dem Haus spazieren.
Bei der Kampagne #ichhabnichtangezeigt berichteten in kurzer Zeit über 1100 Frauen weshalb sie sexuellen Missbrauch nicht angezeigt haben. Unter Anderem wurden genau die Gründe genannt, die nun auch bei der „Brüderle-Debatte“ in abgewandelter Form immer wieder auftauchen: Frauen haben selber Schuld, wer sexy sein will, muss auch mit den Konsequenzen leben usw.
Richtiger wäre es zu sagen, dass viele Frauen mit der Konsequenz leben müssen, dass sexistische Übergriffe für den Täter meist konsequenzenlos bleiben. Christina Frank von ver.di Baden-Württemberg hat sich z.B. mit etlichen Fällen von sexueller Belästigung von männlichen Vorgesetzten und Kollegen am Arbeitsplatz beschäftigt und versucht Frauen zu helfen. Die Bilanz: In lediglich zwei von diesen Fällen hatte sexistisches Verhalten von Männern für diese Konsequenzen. In allen anderen Fällen hatten die Frauen das Nachsehen.
Der Versuch den Spieß umzudrehen und die Frauen selbst verantwortlich zu machen verschleiert die eigentlichen Ursachen von Sexismus.
Verbale und physische Demütigungen treffen nicht zufällig vor allem Frauen und stehen im Zusammenhang mit der strukturellen ökonomischen Schlechterstellung. Die Benachteiligung von Frauen ist tief in dieser Gesellschaft verankert. Das Patriarchat, also verkürzt gesagt die Vorherrschaft des Mannes, ist vor langer Zeit während der Entwicklung der ersten Klassengesellschaften entstanden. Verbesserungen der Lage von Frauen konnten wir nur dadurch erreichen, dass wir uns organisieren und gemeinsam kämpfen.
Strukturelle Ursachen
Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die Gefahr für Frauen zwischen 15 und 44 Jahren, durch Männer verstümmelt oder getötet zu werden, ist größer als die Gefahr durch Krebs, Malaria, Krieg und Verkehrsunfälle zusammen gerechnet. Verbale und physische Demütigungen von Frauen, aber auch frauenverachtende Pornographie und sexistische Darstellung von Frauen in Werbung und Medien sind ein Spiegelbild ihrer sozialen Diskriminierung in einer Klassengesellschaft wie dem Kapitalismus. Im Kapitalismus profitieren Unternehmer (meist männlich) davon, dass Frauen in Deutschland 23 Prozent weniger als Männer verdienen. Sie profitieren davon, dass vor allem Frauen zu Hause Familienangehörige pflegen und kostenlos Kinder erziehen. Die Regierung unterstützt dieses Interesse durch Ehegattensplitting, Betreuungsgeld und die Ausweitung des Niedriglohnsektors, in dem vor allem Frauen beschäftigt sind. Der Kapitalismus basiert auf Ungleichheit und Ausbeutung zu Gunsten einer Minderheit von Kapitalbesitzern und Vermögenden. Ihr Versuch, die Mehrheit in Alt und Jung, deutsch und nicht-deutsch, Frau und Mann zu spalten, ist alt. Das System, in dem wir leben, stützt sich auf rückständige Ideen, die vor vielen Tausend Jahren entstanden sind. Diese machen auch vor persönlichen Beziehungen nicht Halt. Ein wirksamer Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und sexuelle Belästigung sollte einher gehen mit Forderungen nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit, nach kostenloser Kinderbetreuung und einem Ende des Niedriglohnsektors. Es ist vor allem die Aufgabe der Gewerkschaften und der Linkspartei als einziger Partei, welche die Interessen von abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen vertritt, hier aktiv zu werden. Gleichzeitig ist es von großer Bedeutung, heute täglich gegen jegliche Form von sexueller Belästigung und Gewalt gegen Frauen vorzugehen und Frauen den Rücken zu stärken, sich zur Wehr zu setzen.
Gemeinsame Interessen
Die neoliberale Offensive, Lohndumping, prekäre Arbeitsverhältnisse und die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen treffen Frauen im Besonderen. Doch auch ein Großteil der Männer ist davon betroffen.
Frauen und Männer, die nicht zu den oberen zehn Prozent der Gesellschaft gehören, haben gemeinsame Interessen. Kostenlose flächendeckende Kinderbetreuung zum Beispiel, die Einführung gleicher Löhne für gleichwertige Arbeit und die Einführung eines Mindestlohns verbessern die Arbeits- und Kampfbedingungen von erwerbstätigen Männern und Frauen. Im gemeinsamen Einstehen für eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen entsteht Achtung und Respekt und ein Bewusstsein, dass nur gemeinsam Ausbeutung und Ungleichbehandlung beendet werden kann. So kann die Grundlage geschaffen werden, sich zusammen gegen ein System zur Wehr zu setzen, dass die Diskriminierung von Frauen fördert oder billigend in Kauf nimmt.
Am internationalen Aktionstag gegen Gewalt gegen Frauen 'One billion rising' am 14. Februar und am internationalen Frauentag am 8. März werden viele Frauen und auch Männer auf die Straße gehen, um ein Zeichen gegen Sexismus zu setzen.
Aktiv werden:
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