Samstag, 4. Mai 2013

Maidemos 2013 in Hamburg

Klassenkampf oder Sozialpartnerschaft?

An der DGB-Demo zum 1. Mai nahmen in diesem Jahr 7500 Menschen teil, verglichen mit 6000 TeilnehmerInnen 2012 eine deutliche Steigerung. Dazu beigetragen hat wohl auch der antikapitalistische/klassenkämpferische „Rise Up“-Block, an dem wir uns beteiligten. Im Gegensatz zu den eher langweiligen Reden der Gewerkschaftsfunktionäre wurden vom Lauti des Blocks schon auf der Auftaktkundgebung in Redebeiträgen die Solidarität mit der aktuell wachsenden, selbstorganisierten Flüchtlingsbewegung und den seit November streikenden ArbeiterInnen von Neupack in Stellingen betont. Während der Demo gab es einen längeren Redebeitrag von Beschäftigten in der Pflege zur Situation in dieser Branche, wo die ArbeiterInnen massiv ausgebeutet werden, die Menschen pflegen, die aufgrund von Alter oder Krankheit nicht (mehr) ausgebeutet werden können und an denen die KapitalistInnen folglich kein Interesse haben, wie die Rednerin betonte.

Die Demo folgte wie im letzten Jahr einer kurzen Route vom Spielbudenplatz zum Fischmarkt, die überwiegend an – am Feiertag logischerweise leeren – Bürogebäuden vorbeiführt. Sowohl auf der Auftakt- als auch der Abschlusskundgebung waren die Bühnen bereits für den gestern gestarteten Kirchentag geschmückt, die Abschlusskundgebung ging sogar mit einer „Brückenveranstaltung“ samt Olaf Scholz-Rede und schrecklichem christlichem Rap direkt in den Kirchentag über. Das wirft die Frage auf, warum nicht wie in früheren Jahren vom Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof zum Museum der Arbeit in Barmbek demonstriert wurde, statt die Nähe zur Evangelischen Kirche zu suchen, die für Niedriglöhne und religiöse Diskriminierung gegenüber ihren Beschäftigten im Pflege- und Erziehungsbereich bekannt sind.

Wegen dieser Nähe boykottierten einige linke Kräfte die Abschlusskundgebung, auf der der Hamburger DGB-Vorsitzende Uwe Grund, Marion Popken von der DGB-Jugend und der Bundesvorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis sprachen. Uwe Grund erwähnte in seiner Rede die bisherigen Arbeitskämpfe in diesem Jahr bei Coca Cola, den Sicherheitsdiensten am Flughafen, bei der Lufthansa und bei Vattenfall und ging auf die bevorstehende Auseinandersetzung im Einzelhandel ein. In der größten Branche in Deutschland arbeiten 3,5 Millionen Menschen, 900000 von ihnen im Niedriglohnsektor. Nach jahrelangen Reallohnverlusten nimmt die Unzufriedenheit in den Betrieben zu, wie Grund betonte. Seiner Meinung nach scheint es aber vor allem um „Respekt“ zu gehen und weniger um Lohnerhöhungen oder andere konkrete Forderungen. Trotzdem, „so langsam wird die Luft bleihaltig“, wie Grund erklärte. Wir sind gespannt, wie sich ver.di in der Tarifauseinandersetzung verhalten und ob die Gewerkschaftsführung einen konsequenten Kampf für höhere Löhne und bessere Bedingungen führen wird.

Als anschließend der „Hauptredner“ Michael Vassiliadis die Bühne betrat, tauchte plötzlich ein großes Transparent mit der Aufschrift „Suche: klassenkämpferische Gewerkschaft – Biete: sozialpartnerschaftliche IG-BCE“ vor der Bühne auf. Deren Bundeschef wurde mit Sprechchören und Pfiffen an die Rolle seiner Gewerkschaft im Streik bei Neupack erinnert, wo die Führung der IG BCE die KollegInnen seit Januar immer wieder zur Arbeit schickt. Diese als „Flexi-Streik“ bezeichnete Taktik wurde von den Streikenden in einem auf der Demo verteilten Flyer als „Flexiverarschung“ massiv kritisiert, weil dadurch die fast leeren Lager aufgefüllt und Streikbrecher angelernt wurden. Auch den Kampf um einen Tarifvertrag hat die IG BCE-Führung mittlerweile aufgegeben, sie verhandelt nur noch über eine Betriebsvereinbarung. Statt über Neupack sprach Vassiliadis über die Zerschlagung der Gewerkschaften im deutschen Faschismus am 2.5.1933. Bei dieser Gelegenheit stellte er die protestierenden KollegInnen von Neupack und ihre ca. 50 UnterstützerInnen vom Soli-Kreis und linken Gruppen in die Nähe von Faschisten und behauptete, sie wollten die Einheitsgewerkschaft spalten. Sachlich auf die Kritik eingehen wollte er offensichtlich nicht.

Nach Vassiliadis stellte Marion Popken die „6 Ansagen“ der DGB-Jugend für den Bundestagswahlkampf vor. Gefordert werden bessere Ausbildungsbedingungen ohne Überstunden und ausbildungsfremde Tätigkeiten, ein besserer Jugendarbeitsschutz, Verbesserungen an den Berufsschulen, Übernahme aller Azubis nach der Ausbildung (aktuell werden 40% der Azubis nicht übernommen), ein Mindestlohn von 8,50€ und bessere Bildungschancen durch elternunabhängiges Bafög für SchülerInnen und Studierende, Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in der EU, Rücknahme der Rente mit 67 und konsequente Bekämpfung von Nazis und Rassismus. Die Rednerin forderte PolitikerInnen auf, sich im Wahlkampf zu diesen Forderungen zu bekennen. Obwohl sie sich im Gegensatz zu Vassiliadis nicht offen zu SPD und Grünen bekannte, ging auch sie nicht auf die Rolle dieser prokapitalistischen und neoliberalen Parteien ein, die von den Gewerkschaftsführungen leider nach wie vor unterstützt werden.

„Revolutionärer 1.Mai“


Um 18:00 startete an der Feldstraße die revolutionäre 1. Mai-Demo, die vor allem jugendliche TeilnehmerInnen anzieht, die einen Bruch mit dem Kapitalismus fordern – in diesem Jahr kamen ca. 1400 Menschen. Glücklicherweise waren diesmal relativ wenige Betrunkene darunter und die meisten schienen zu wissen, worum es bei der Demo geht – was in den letzten Jahren wohl nicht immer der Fall war. Trotzdem gab es leider fast keine Sprechchöre, und in den Reden vom Lautsprecherwagen wurde sich mehrfach positiv auf Mao und maoistische bzw. stalinistische Bewegungen bezogen. Die Polizei begleitete die Demo über einen Großteil der Strecke als (beinahe-)Wanderkessel, stoppte sie mehrfach und bekam auf der Abschlusskundgebung ihre ersehnte Eskalation, als Flaschen, Stöcke und Werferwasser flogen, zahlreiche DemonstrantInnen durch Knüppel und Pfefferspray verletzt und insgesamt 10 von ihnen festgenommen wurden.

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