Donnerstag, 10. Februar 2011

„DIE LINKE muss Protest mit ihr zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen“

Interview mit Christin Bernhold, Sprecherin der Linksjugend [‘solid] Hamburg und Kandidatin der LINKEN für die Hamburger Bürgerschaft auf Platz 7 der Landesliste 
aus der Februar-Ausgabe der Solidarität, Zeitung der SAV

Warum kandidierst du fürs Parlament?

Wir brauchen eine Synthese aller sozialen Kämpfe und aller Mittel, die uns im Klassenkampf zur Verfügung stehen. Daher müssen Linke im Parlament genauso für revolutionäre Realpolitik eintreten wie auf der Straße, in den Betrieben und so weiter. Die Geschichte der Linken seit der Gründung der klassischen Sozialdemokratie hat gezeigt, dass wir dem Projekt einer qualitativ besseren Gesellschaft schaden, wenn wir uns ausschließlich auf eine Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung konzentrieren.

Was hälst du vom Kommunismus?

Wie viele andere Menschen strebe ich eine gesellschaftliche Bewegung an, die die kapitalistische Produktionsweise aufhebt. An der Beseitigung der alltäglichen Barbarei in Form von Hunger, Armut, Flucht, Tiermord, Naturzerstörung, Ausbeutung und Krieg, die trotz der historisch einmaligen Möglichkeit, die Gesellschaft anders einrichten zu können, in potenzierter Form fortbesteht, kann ich nichts Schlechtes sehen. Ich denke auch, dass die Zustimmung zu einem solchen Projekt größer ist als gemeinhin angenommen wird. Nur benutzen die Menschen andere Begriffe dafür, weil sie Angst haben, wie Gesine Lötzsch diskreditiert zu werden. Das haben die Medien und die Geschichtsschreibung der Bundesrepublik seit 1945 bedauerlicherweise erreicht, obgleich die Linke sich weitaus intensiver mit ihrer eigenen Vergangenheit, ihren Positionen und Traditionen befasst hat als etwa die hohe deutsche Politik oder deutsche Konzerne. Ich erinnere nur an die Farce der Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter oder an den bis heute niederträchtigen Umgang mit dem kommunistischen Widerstand.
Wenn die herrschende gesellschaftliche Logik irrational, gegen die Menschheit ist, dann, so schrieben es einmal Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, bleibt uns nur eine Möglichkeit: Der Logik spotten.

Was sind aus deiner Sicht die Aufgaben der Linkspartei im Parlament?

DIE LINKE ist bislang die einzige gesellschaftlich relevante Kraft, die noch für originär linke Positionen eintritt, auch wenn Teile der Partei sie zunehmend von rechts unter Druck setzen. Ich möchte, dass DIE LINKE Protest und Widerstand mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt, indem sie Anträge stellt, über Anfragen Informationen verbreitet, die den außerparlamentarischen Organisationen helfen, oder – wie im Fall des Kunduz-Massakers – Prozesse transparenter machen, die sonst nur hinter verschlossenen Türen ablaufen. Im Kern muss DIE LINKE eine Sammlungsbewegung für oppositionelle Kräfte sein, die dem verheerenden Ausnahmezustand, in dem wir leben, alles entgegensetzt, was sie aufzubieten hat.

Wie denkst du über Regierungsbeteiligungen?

Parlamentarische Beteiligungen der Linken haben eine integrative Funktion. Revolutionäre und emanzipatorische Organisationen werden von den eher sozialdemokratischen Teilen der Linken getrennt, breite linke Opposition geschwächt und das Projekt einer Gesellschaft, in der niemand Angst haben muss, verschieden zu sein, wird diskreditiert. Parallel erneuert sich durch die Integration ehemals oppositioneller Akteure die konkrete politisch-ökonomische Konstellation. Sie verleihen dem reformierten politischen Herrschaftsprojekt und der reorganisierten kapitalistischen Ausbeutung neue Stabilität und Legitimität. Ich denke, dafür ist der „grüne“ Kapitalismus ein passendes Beispiel.
Diese objektive Funktion erfüllt man deutlich stärker, wenn man sich an Regierungen beteiligt. Daher lehne ich Regierungsbeteiligungen der LINKEN ab.

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